«Ich will, dass eine verhinderte Frauenkarriere ein Preisschild erhält» sagt Dr. med. Natalie Urwyler und klagt damit ihren ehemaligen Arbeitgeber, die Inselgruppe, auf Schadenersatz ein. Sie hatte sich für bessere Arbeitsbedingungen eingesetzt und die Kündigung erhalten. Sie hätte Chefärztin und Universitätsprofessorin werden sollen. Unbequem sein ist gefährlich im Gesundheitswesen. Das berichten viele. Frau sein auch. Frau sein ist per se unbequem, da das System nicht gleichermassen für Frauen- und Männerrealitäten gestaltet wurde. Will eine Frau das System zu Gunsten von Vereinbarkeit anpassen, kann sie das die Karriere kosten.

Der Preis des Status Quo

Am Unispital Zürich konnten wir jüngst sehen, dass es nicht alleine Frauen sind, die unter der dominanten Kultur leiden. Ein Mann machte auf geschehenes Unrecht aufmerksam und erhielt dafür auch die Kündigung – statt Dank für seinen Mut und Engagement. Das «System» spuckt jeden aus, der sich nicht an die ungeschriebenen Regeln hält, dafür aber auf die geschriebenen pocht. Bleiben wir gespannt, was mit den drei Ärzten passiert, die das Unrecht tatsächlich begangen haben sollen.

Frauen werden darüber hinaus mit Sexismus belastet und mit sexueller Belästigung bedroht. Egal, ob sie sich unbequem verhalten oder nicht. Wer danach unbequem wird, spuckt das System aus. Das ist die Realität oder Angst vieler Frauen.

Exklusion und Misswirtschaft haben schon immer Geld gekostet

Daher ist es richtig, dass eine anerkannte, leistungsfähige und leistungswillige Ärztin auf Schadenersatz klagt. Sie will damit ein Exempel statuieren und Externalitäten internalisieren. Der Status Quo-Erhalt kriegt so einen Preis. Unrecht und Ausgrenzung sind nicht umsonst zu haben. Exklusion und Misswirtschaft haben schon immer Geld gekostet, aber die Rechnung haben bisher die Benachteiligten bezahlt. Das ist unfair.

Sollte Urwyler damit durchkommen, wird Schadenersatz zu Opportunitätskosten des Status Quo für das Unternehmen. Zum Reputationsrisiko, das so ein Fall ohnehin mit sich bringt, kommt bares Geld hinzu. Das ist die Sprache, die Spitalleitungen vermutlich verstehen. Fünf Millionen Franken sind hoffentlich ein bezifferbares und ausreichend grosses Risiko, bei dem das Fehlverhalten der Arbeitgeber und Vorgesetzte endlich zum Thema wird, bevor aufmerksame, engagierte und fähige Mitarbeitende entlassen werden und es publik machen.

“Der Preis des Status Quo” – Kolumne von Esther-Mirjam de Boer in der Handelszeitung vom 18. Juni 2020