«Customer Behavior – zwischen Nudge und Neuro», diesem Thema widmete sich das dritte Webinar der sechsteiligen Reihe, die von der HWZ in Kooperation mit Swiss Marketing Forum und AZ Konzept durchgeführt wird.

Die Jahre, in denen Marketingentscheide von rationalen Kund:innen ausgehen konnten, sind längst vorbei. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der «homo oeconomicus» eher als idealisierte Vorstellung taugt, der mit der Realität vieler Entscheidungen wenig zu tun hat. Menschen entscheiden täglich unbewusst bisheriger Erfahrungen und Empfehlungen und lassen sich oft von medialen Influencer:innen verführen. Selbst vermeintlich rationale Entscheide sind oft stark emotional bestimmt.

Verhaltenspsychologische Massnahmen sind im Markt bereits angekommen, um Menschen in Marketing- und Verkaufsprozessen aktiv Orientierung zu bieten. Dies ist eine Erkenntnis des dritten Webinars zum Thema «Customer Behavior – zwischen Nudge und Neuro» der Brown Bag Series, die von der HWZ in Kooperation mit dem Swiss Marketing Forum und der AZ Konzept durchgeführt wird.

Am Panel, das von Esther-Mirjam de Boer eingeleitet und moderiert wurde, haben am 20. September 2022 teilgenommen: Christina Hoffmann, CEO Brandmind, Sabine Furler, Partner Experts for Leaders, und Michael Grund, Leiter Departement für Marketing & Business Communications der HWZ sowie Studiengangsleiter Executive MBA Marketing und des MAS Customer Excellence.

Emotionen bestimmen unsere Entscheidungen

Ökonomische Entscheidungen beruhen zu grossen Teilen auf unbewusst ablaufenden Prozessen: Ergebnisse und Techniken des Neuromarketings nehmen immer mehr Einfluss auf das Marketing, weil sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass der Homo oeconomicus eher eine komplexitätsreduzierte Wunschvorstellung ist. Emotionen, so die empirischen Forschungsergebnisse, bestimmen in erster Linie unsere Entscheidungen, die sich in jedem Fall komplex und recht störungsanfällig gestalten.

«Retail ist immer Detail und funktioniert unmittelbar über das Unterbewusstsein: Eine Feel-Good-Atmosphäre im Geschäft ist absolut zentral, die sich im kompletten Ambiente manifestiert und sich über die ganze Customer Journey erstrecken muss», sagt Sabine Furler, Partner Experts for Leaders. Versprechungen der Marke, die in der Wahrnehmung der Kund:innen optische, akustische oder personellen Aspekte betreffen, sind enorm störungsanfällig. Subtile Störungen können an den unterschiedlichsten Touch Points vorkommen und produzieren sofort Dissonanzen, die den Markenwert eines Brands für die Kundschaft relativieren oder sogar implodieren lassen.

«Das falsche Glas auf dem Tisch oder eine unaufgeräumte Kabine in einer Edelboutique sind tödlich für eine gelungene Customer Journey, die letztlich in einem Verkauf gipfeln und das Markenversprechen einlösen sollte.» Der Mensch ist in jedem Fall Teil der Marke, ihrer Markenbotschaft. Er nimmt damit direkten Einfluss auf die Stimmungslage im Geschäft, die auch mit Farben, Bildern, Musik, Symbolen und Icons bewusst gesteuert werden kann. Kundenzufriedenheit und -loyalität sind damit unmittelbar verbunden, die fragile Grössen sind.

Gläserne Kundschaft über Profiling

In der Marktforschung wird im Zuge der Ergebnisse des Neuromarketings vermehrt versucht, psychometrische Erfassungen der Kunden über ein qualitatives Profiling vorzunehmen. «Über ein gezieltes Branding und eine adäquate Strategie sollen Kund:innen letztlich passgenau angesprochen werden, wobei die Datenqualität für die Qualität des Profilings verantwortlich ist und damit über dessen Relevanz und Mehrwert entscheidet», betont Christina Hoffmann, CEO Brandmind. Die «brand promise», so die Beobachtung, muss in der emotionalen Wahrnehmung der Kund:innen in allen Aspekten stets stimmig sein, damit der Markenwert transportiert wird und ein Kaufverhalten eingelöst wird. Die neurowissenschaftliche Forschung darf auch in Zukunft nicht verhindern, so die Meinung aller Expert:innen, dass praktische Markttests durchgeführt werden, in welchen die Realsituationen vor Ort mit Menschen beobachtet und analysiert werden.

Michael Grund, Leiter Departement für Marketing & Business Communications der HWZ, sagt: «Grosse Teile unserer Entscheidungen, so weiss man heute aus der neuropsychologischen Forschung, werden emotional getroffen. Von einer irrational gelenkten Kundschaft ist damit auszugehen, was eine verstärkte Emotionalisierung der Produkte verlangt: Das Herz muss immer mitangesprochen werden.» Kleine Geschäfte besitzen hierbei einen Vorteil durch ihre intimen Verkaufsräume. Sie können in Bezug auf das Wording und Framing unmittelbar auf die ihnen oft schon bekannte Kundschaft und ihre Präferenzen eingehen und mit ihr in eine direkte Beziehung treten, die auf gewachsenem Vertrauen basiert.

Unser Gehirn ist faul, und Marketing Chefsache

Auch in Bezug auf komplexe Finanzprodukte ist eine Emotionalisierung möglich und gewünscht, sagt Michael Grund und verweist auf emotionale Bilder wie Sicherheit, Zukunft und Vertrauen, welche direkten Grundbedürfnisse ansprechen. Gekauft wird Sicherheit für die Zukunft und nicht ein Finanzprodukt, das dem Laien rational oft unzugänglich bleibt. Nicht die Produkteeigenschaften stehen hier im Vordergrund. Es geht vielmehr um den Nutzen, der über emotionale Begriffe verständlich gemacht wird und kein Expertenwissen voraussetzen. «Unser Gehirn ist faul und möchte es sich einfach machen.

«Klare und einfache Botschaften sind relevant, möglichst mit einfacher Bildsprache unterlegt, die sofort verstanden werden», unterstreicht Michael Grund. «Wer etwas tut, löst etwas aus», sagt er weiter und spricht damit mögliche Manipulationsvorwürfe durch das Neuromarketing direkt an. Marketing beeinflusst naturgemäss das Kund:innen-Verhalten, respektive hat dies ganz direkt zum Ziel. Das Aufschwatzen ist aber von gestern, weil heute ein Reputationsrisiko damit verbunden ist, das im verstärkten Konkurrenzumfeld kaum mehr eingegangen wird.

Für Sabine Furler, gehören Marketing und Verkauf eng zusammen, weil sie sich in ihren Zielvorgaben der unbedingten Kundenorientierung gegenseitig bedingen und sich gegenseitig eng abstimmen sollten. «Marketing ist immer Chefsache, auch beim Finanzchef, weil es immer um die Optimierung des Verkaufs geht, der in den Unternehmen stets im Fokus aller Aktivitäten stehen muss.»

Beitrag in KMU_Today am 13.10.22.

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